Ideen für Morgenroutinen gibt es wie Sand am Meer. Morgenseiten schreiben ist eine davon.

Liebevoll mit deinem Kind umzugehen, ist trotzdem schwer. Weil es eben nicht reicht, sich um 5 Uhr morgens aus dem Bett zu quälen, bevor dein Kind wach wird, um Yoga zu machen, zu journaln und zu meditieren…

Ich habe für mich eine andere Strategie entwickelt, die sich langfristig auszahlt. Zeit brauchst du trotzdem, doch der Effekt ist grandios. Deshalb bespreche ich diesen Weg auch mit meinen Kundinnen. Anna berichtete mir dann: “Diese Möglichkeit in mich rein zu fühlen, hilft mir, zu spüren, wie es mir geht. Ich hatte seither auch nur noch eine Wut Situation.”

Disclaimer: Es ist nicht alles, und es funktioniert auch nicht von heute auf morgen, dennoch schenkst du dir damit einen Strauß an Möglichkeiten, deine Bedürfnisse zu erfüllen.

Über mein früheres Ich

Ich bin früher immer zur Arbeit gehetzt.

Lange Jahre habe ich unterwegs in der Bahn gearbeitet, um die Pendelstrecke von 1 Stunde auch ja gut auszunutzen. Meine Wege von Bahnhof oder Haltestelle zum Arbeitsort ging ich nie bewusst. Ich kaufte mir noch im Coffee Shop um die Ecke einen Kaffe to go und erholte mich erstmal im Büro von meinem Morgen.

Produktiver war ich dadurch nicht. Entspannter erst recht nicht.

Später in meiner Selbstständigkeit erging es mir phasenweise ähnlich. Dazu kam, dass ich nun ein Kleinkind hatte, das wir auch noch ohne Kita daheim betreut haben. Mein Mann und ich teilten uns in die Kinderbetreuung rein, oft mit unausgesprochenen Erwartungen oder sogar Abhängigkeiten von seinem Job. Ich wurde zunehmend frustrierter, weil ich mich fremdbestimmt und abhängig fühlte. Ausgelaugt. Und streckenweise nicht die liebevolle Mutter, die ich eigentlich sein wollte. Wie wollte ich eigentlich meinen Tag leben? 

Ich steckte im Chaos. Ich fühlte mich verloren. Ich brauchte dringend eine Lösung. 

Die Wende

Ich erinnerte mich an die Zeit meiner Doktorarbeit zurück. Auch damals versank ich im Chaos meiner Ideen. War frustriert, weil ich nichts auf die Reihe bekam. Zeitmanagement Tools haben wenig gebracht.

Erst als ich begann, Morgenseiten zu schreiben, veränderte sich alles.

Ich bekam sowohl mehr Klarheit für die nächsten (Schreib-)Schritte als auch für meinen gesamten Tag.

Als ich Mutter wurde, vergaß ich dieses Tool. Als ich es nun wieder rauskramte, klärte sich so einiges in meinem Leben. Es war verblüffend. Es war der gleiche Effekt wie damals. 

Mein Gedankenchaos ergoss sich nun aufs Papier, statt weiter Kreise in meinem Kopf zu ziehen. Ich schenkte meinen Gedanken und mir selbst wieder Aufmerksamkeit! 

Es war also nicht nur der Fokus, der sich für meine Arbeit einstellte, sondern es war auch meine Persönlichkeitsentwicklung, die ich damit weiter vorantrieb, was mir für meine Mutterschaft sehr geholfen hat. Ich verdanke meinen Morgenseiten ein großes Maß an Ausgeglichenheit und Regulationsfähigkeit. Im Grunde der Schlüssel, um auch im stressigen Alltag liebevoll mit meinem Kind sein zu können. 

Liebevoll und verständnisvoll, wie ich ja eigentlich IMMER sein will. Nur an irgendeiner Stelle im täglichen Zerreiben zwischen Arbeit, Essenkochen, Spielen, Einschlafbegleiten,… ging es verloren. Vielleicht kennst du das ja auch.

morgenseiten schreiben 12von12 norma burow
Morgenseiten schreiben zum Start in meinen Arbeitstag wie hier aus meinem Blogartikel #12von12 im Oktober

Was sind Morgenseiten?

Morgenseiten sind eine Schreibmethode, die du jeden Tag anwendest und daraus eine Gewohnheit etablierst. 

Sie werden in der Methode des Freewritings geschrieben. Schreibe dazu für 20 Minuten oder 3 Seiten lang zu allem, was sich durch deinen Stift aufs Blatt ergießen will, ohne dass du den Stift dabei für eine Pause absetzt, es sei denn du schreibst das nächste Wort. Dabei ist es wichtig, dass du völlig unkritisch schreibst, nicht auf Zeichensetzung und korrekte Rechtschreibung oder Grammatik achtest. Es kommt viel mehr darauf an, dass du in einen Schreibfluss kommst, der dich vollkommen im Hier und Jetzt sein lässt. Ohne Bewertung. Ohne Gedanken an Richtig oder Falsch, völlig ungefiltert. Bei Paul Henkel findest du einen guten Überblicksartikel.

Hast du Lust, es mal auszuprobieren?

Was ist der Effekt von Morgenseiten

Durch das Tanzen deines Stiftes über das Blatt Papier fließen Buchstaben und Worte aus deinem Kopf aufs Papier. Du schreibst über Gedanken, Sorgen und Ängste oder Erinnerungen, wodurch sich dein Kopf klärt und der Weg frei wird für tieferliegende Erkenntnisse

Paul Henkel schreibt, dass sich dadurch auch dein Unterbewusstsein entspannt, denn es weiß, du gibst den störenden Gedanken einmal am Tag Raum und schenkst ihnen Aufmerksamkeit. So können sie dich später nicht mehr überraschen. Es führe schlussendlich zu mehr Kreativität, zu mehr Produktivität, zu mehr Fokus, aber auch zu mehr Achtsamkeit!

Wie werde ich denn aber nun durch das Morgenseiten Schreiben liebevoller mit meinem Kind?

Letztlich ist es deine Regulationsfähigkeit, die dir dazu verhilft, zwischen Reiz und Reaktion eine Pause zu machen. Das kannst du trainieren. Ein Weg ist, dich in Achtsamkeit zu üben. Achtsamkeit für das Hier und Jetzt, sowohl körperlich als auch mental, können wir erreichen, indem wir unsere Gedanken und Gefühle bewusst wahrnehmen. Ohne Bewertung oder Urteil. Zum Vorteil unseres Wohlbefindens. 

Ich bin seit meinem Ausstieg aus der Wissenschaft viel mehr auf mein körperliches und emotionales Wohlbefinden bedacht. Denn seitdem hat sich für mich Entscheidendes verändert. Deswegen suche ich auch nach Wegen im vollgestopften Alltag nach Inseln, die mir helfen achtsame Momente zu etablieren.

Die Methode, die ich für mich etabliert habe, lehnt sich an den “Body Scan” an. Sie sieht vor, dass ich 20 Minuten nur darüber schreibe, wie es mir geht und dabei den Fokus auf meine Körperempfindungen lege. Ich frage mich also zuallererst schriftlich: “Wie geht es mir?” (Die Inspiration dazu habe ich von Nicola Schmidt in meiner Ausbildung zur Kleinkind-Coachin im Artgerecht Projekt.). 

Anschließend schreibe ich darüber, was ich gerade in meinem Körper spüre. Egal was, Hauptsache ich bleibe auf einer beschreibenden Ebene und werte nicht, was sich zeigt. Ein zärtliches “Hallo! Ich spüre dich. Ich nehme dich wahr.” an diese Empfindung schenkt mir die nötige wertfreie Aufmerksamkeit.

Wenn nichts kommt, schreibe ich die Worte “Wie geht es mir?” wiederholend aufs Papier. Solange bis sich etwas zeigt. Ich schicke dabei meine Aufmerksamkeit von den Zehen, über meine Beine, die Arme hinauf bis zum Kopf. Sind meine Zehen kalt oder warm? Wie fühlt sich mein Rücken an? Ist mein Nacken entspannt? Schmecke ich noch etwas von der Zahnputzcreme oder meinem Frühstück? Wie stark drücke ich mit meinem Stift aufs Papier auf? So oder so ähnlich. Immer wenn ich nicht weiß, was ich schreiben “soll”, schreibe ich die Frage auf “Wie geht es mir?”. Wenn nötig auch mehrmals hintereinander.

Erst nach einigen Minuten zeigen sich andere Dinge. Auch die dürfen dann aufs Papier. Wenn zwischenzeitlich wieder eine Körperempfindung deutlich wird, schreibe ich diese wieder auf.

Morgenseiten schreiben gemütlich auf der Couch

Warum ist es wichtig, unseren Körper besser wahrnehmen zu können?

Unseren Körper zu kennen, hilft, den Kontakt zu uns selbst wieder zu intensivieren. Wir stecken viel in unserem Kopf und durchdenken unsere Handlungen den lieben langen Tag und vergessen darüber, darauf zu lauschen, welche Botschaften unser Körper uns eigentlich sendet. Daraus kann sich ein Teufelskreis entwickeln, denn ohne Körper kein Signal oder erst ein sehr spätes Signal über eine Grenzüberschreitung deiner Wohlfühlzone.

Es fängt mit Kleinigkeiten an. Wie z.B. der Druck auf deiner Harnblase. Wie oft ignorierst du ihn und machst nur noch schnell diese oder jene Tätigkeit zu Ende? Das Zwicken im Nacken. Wie oft fühlst du dich dadurch inspiriert, aufzustehen und dich zu bewegen? Durst. Wie oft stillst du dein Kind weiter, obwohl dich schon elendiger Durst plagt? Wie oft sagst du Ja zu einer weiteren Aufgabe deines:r Chef:in, obwohl dein Körper dir ganz deutlich zeigt, dass das keine so gute Idee ist?

Die Signale deines Körpers helfen dir, deine Bedürfnisse zu erkennen. Nicht nur grundlegende, sondern auch “höhere”, wie nach Wertschätzung oder Orientierung, vielleicht auch nach Selbstbestimmung.

Dabei hilft dir ein erhöhtes Körperbewusstsein. Denn dadurch spürst du, wann sich dein Körper wohl oder unwohl fühlt, wann sich Stress anbahnt, welche Bedingungen dir grundsätzlich nicht guttun, und über kurz oder lang auch, wie du dich besser schützen kannst. 

Manche Menschen spüren sozialen Druck z.B. über einen schnelleren Herzschlag oder feuchte Hände. Wut wird oft im Bauch wahrgenommen oder durch erhöhten Herzschlag. Finde heraus, was es bei dir ist und du wirst brenzlige Situationen in deinem Alltag besser erkennen und dich entsprechend verhalten können. 

So individuell unsere Körper sind, so individuell sind auch unsere Empfindungen. Beobachtung ist deshalb dein Schlüssel. Erst aus der Beobachtung wirst du erkennen, was du brauchst, was dir guttut, was dich nährt.

Für mich ist die Übung des Morgenseitenschreibens ein zentraler Bestandteil meines Lebens. Ich brauchte einige Zeit, um das wieder zu etablieren und es mir zu erlauben. Schließlich passt es nicht in unsere Welt, in der wir Produktivität und Leistung an unserem Output messen. Das zu durchbrechen, fällt selbst mir als Selbständige nicht leicht (obwohl ich ja meine eigene Chefin bin…). Allerdings sehe ich den positiven Effekt auf meine Beziehung zu meiner Tochter (und zu meinem Mann). Das will ich nicht missen.

In meiner Begleitung von Müttern durch herausfordernde Zeiten und auch durch ihre mütterliche Wut ist Morgenseiten schreiben ein Tool, das ich gerne ausprobieren lasse.

Einige meiner Coachees beschreiben ähnliche Effekte auf ihre erhöhte Ausgeglichenheit und eine verbesserte Regulationsfähigkeit:

“Ich habe mich wirklich auf mich eingelassen und ich merke, dass mir das wirklich unglaublich gut tut. Dass ich das vorher wirklich einfach viel zu wenig gemacht habe. Neben Yoga, wozu ich manchmal einfach keine Lust habe, habe ich jetzt die Möglichkeit in mich rein zu fühlen und so spüre ich eben auch, wie es mir geht. Ich hatte seither auch nur noch eine Wut Situation.” Anna (2 Kinder, 4 Jahre und 8 Monate)

Ich habe auch unterwegs gute Erfahrungen mit der Methode gesammelt. Bin ich im Zug oder eine längere Strecke mit der S-Bahn unterwegs, zücke ich mein Morgenseiten Heft und schreibe darin. Gern auch mit entspannter Musik auf den Ohren.

Noch ein Satz zur Tageszeit: Im Grunde ist es vollkommen egal, wann du dir Zeit nimmst. Ob gleich morgens, um für den Tag geklärt zu sein, oder wann immer du dazu kommst. Der Effekt wird ähnlich sein. Wenn ich jetzt schreibe: nimm dir am besten immer zu gleichen Tageszeit Zeit für Morgenseiten, dann endet es vielleicht darin, dass du gar nicht erst beginnst…

Inhaltlich habe ich für mich über die Jahre einiges verändert. Vom reinen Body Scan bin ich dazu übergegangen, mir am Ende zielgerichtetere Journaling Fragen für meinen Tag zu stellen. Aber darüber erzähle ich gern ein anderes Mal.

Probierst du es mal aus? Schreibe doch gern einen Kommentar.